Sphinx

Sphinx

SPHINX, gis, Gr. Σφίγξ, γος, ( Tab. V.)

1 §. Namen. Einige leiten diesen Namen von dem griechischen Worte σφίγγινειν, zusammenziehen, her, weil solches Ungeheuer mit seinen Räthseln die Menschen gleichsam verstrickt habe. Casal. de Rit. veter. Aegypt. c. 16. Andere holen ihn von dem ebräischen, oder phönicischen Worte Saphach für Sabbach, her, von welchem Sphicha so viel, als irre gemacht, oder auch Todtschläger heissen soll, welches sich beydes gar wohl auf solche Sphinx schicket. Cleric. ad Hesiod. Theog. v. 326. Allein, noch andere leiten ihn von dem phönicischen Phicea her, welches so viel, als listig und verschlagen, heissen und das griechische φὶξ seyn soll, welches nach böotischer Mundart eben so viel, als Σφίγξ, gewesen. Bochart. Chan. l. I. c. 16.

2 §. Aeltern. Diese waren ein Paar Unthiere, Typhon und Echidna. Hesiod. Theog. 326. Apollod. l. III. c. 5. §. 8.

3 §. Wesen und Schicksal. Weil Juno einen ungemeinen Haß auf die Thebaner geworfen hatte, so schickte sie dieses Unthier ab, ihnen alles Herzeleid anzuthun. Es nahm daher seinen Aufenthalt auf dem phiceischen Berge, unsern von Theben; und, nachdem es allerhand Räthsel von den Musen erlernet hatte, so legete es den Thebanern insonderheit dieses vor: Was es für ein Thier sey, das eine Stimme und Gestalt habe, jedoch erst vierfüßig, hernach zweyfüßig, und endlich dreyfüßig sey: Weil nun den Thebanern von dem Orakel war gesaget worden, sie würden solche Plage nicht eher los werden, als bis jemand solches Räthsel erriethe: so versuchten sie ihr Heil gar oft damit. Wer es aber nicht errathen konnte, der mußte mit dem Leben bezahlen, indem ihn solche Sphinx ergriff, zerriß und fraß. Sie kam fleißig zu den Thebanern, wenn sie beysammen waren, und verlangete die Auflösung, da sie denn nahm, welchen sie bekommen konnte. Endlich traf das Unglück selbst des Königs Kreons Sohn, den Aemon. Hierauf ließ dessen Vater öffentlich ausrufen, wer solches Räthsel errathen könnte, sollte nicht allein seine Schwester Jokaste, die verwitwete Königinn, zur Gemahlinn, sondern auch das Königreich dazu haben. Oedipus gab sich deswegen an und errieth, daß der Mensch damit gemeynet sey, welcher in seiner Jugend auf allen Vieren krieche, hernach auf zweyen Beinen einher gehe, und sich im Alter eines Stockes bediene und also auf dreyen herum schleiche. Hierauf stürzte sich die Sphinx von ihrem Felsen herab, Oedipus aber bekam den ausgesetzten Preis. Apollod. l. III. c. 5. §. 8. Diod. Sic. l. IV. c. 66. p. 185. Es zeiget sie noch ein geschnittener Stein auf einem Felsen sitzend, wie Oedipus, oder ein anderer, vor ihr steht, und ihr Räthsel aufzulösen Willens zu seyn scheint. Gorlæl Dact. T. II. n. 526. Auf einem andern hat sie einen unglücklichen Auflöser ergriffen, und aus der Art, wie sie ihn gefaßt, kann man schließen, daß sie etwas unzüchtiges von ihm begehret; oder, daß wenigstens der Steinschneider dergleichen hat anzeigen wollen. Ib. n. 527. Nach einigen soll nicht Juno, sondern Dionysus, diese Sphinx über die Thebaner geschicket haben. Schol. ad Hesiod. Theog. ap. Munck. ad Hygin. Fab. 67. Sie soll dem Kreon selbst gedrohet haben, daß, wo er ihr Räthsel nicht erriethe, sie ihn noch selbst aufreiben wollte; daher er denn bewogen worden, solche große Belohnung darauf zu setzen. Hygin. l. c.

4 §. Gestalt. Nach einigen soll sie zwar ein Jungferngesicht, allein Brust, Füße, und Schwanz eines Löwen, nebst Flügeln eines Vogels gehabt haben. Apollod. l. III. c. 5. §. 8. So kömmt sie vielfältig auf alten Denkmälern vor, und sonderlich trifft man sie auf den Münzen der Chier an, wo sie zuweilen den einen Fuß auf eine Harfe setzet, oder vor einer Traube sitzt, oder den Fuß auf einen Schiffsschnabel stellet. Beger. Thes. Brand T. I. p. 419. 420. & T. III. p. 46. Sie ist, außer den beyden Weiberbrüsten vorn, noch mit vielen andern unter dem Leibe versehen. Mit diesen erblicket man sie auch ganz deutlich auf einem Carneol, wo sie ein Sistrum vor sich und das Getraidemaaß auf dem Kopfe hat. Maffei gem. ant. P. II. t. 17. Auf einem andern, wo sie in vollem Laufe ist, sieht man solche nicht weniger. Gorlæi Dactylioth. T. II. n. 627. Man findet sie noch mit vielen andern Zeichen, z.B. einem Mercuriusstabe, Rade, Todtenkopfe, u.s.w. auf Gemmen. Lipp. Dactyl. I Taus 916–925 N. Was das Geschlecht anbetrifft, so findet man gleichwohl auch männliche, und einige sollen so gar beyderley Geschlechtes seyn. Winkelm. Descr. des pier. gr. du Cab. de Stosch. p. 4. n. 7. & ej. Monum. ant. p. 103. Hingegen wollen andere, daß sie ein Gesicht und Hände wie eine Jungfer, einen Leib wie ein Hund, eine Stimme wie ein Mensch, einen Schwanz wie ein Drache, Klauen wie ein Löwe, und Flügel wie ein Vogel gehabt. Clearch. ap. Nat. Com. l. IX. c. 18. Dergleichen Abbildung findet man in alten Denkmälern wenig: doch gehöret ein Carneol dahin, wo man sie geflügelt nur mit zweenen Vorderfüßen liegen sieht, der Hintertheil aber sich wie eine Schlange windet. Chauss. gem. ant. fig. t. 193. Noch andere legen ihr von vorn die Gestalt eines Löwen, von hinten zu aber eines Menschen bey, wobey sie Klauen eines Greifs, und Flügel eines Adlers gehabt haben soll. Tzetz. ad Lycophr. v. 7. Alles dieses gilt indessen nur von der thebanischen Sphinx. Man hat aber noch eine ägyptische, die sich von derselben vornehmlich dadurch unterscheidet, daß sie ungeflügelt und der Kopf ihr mit einer Haube bedecket ist, die ihr über die Achseln herunter geht und sich auch wohl ein Stück auf dem Rücken hin erstrecket. Beger. Thes. Brand. T. III. p. 369. Es finden sich solche auch vielfältig, und eine derselben mit Menschenhänden, wiewohl langen Nägeln an den Fingern, zeiget ein Obelisk. Winkelm. Monum. ant. n. 78. p. 102.

5 §. Wahre Beschaffenheit. Einige wollen, sie sey nichts mehr, als eine Art eines zottichten Affen gewesen. Schol. Stat. ad Thebaid. l. I. v. 66. & Vives ad Augustin. de C. D. l. XVI. c. 8. Allein, andere suchen doch billig was mehrers dahinter, und wollen also, Kadmus habe eine Amazone, welche Sphinx geheissen, zur Gemahlinn gehabt, hernach aber noch die Harmonia dazu genommen, welches denn die Sphinx dergestalt verdrossen, daß sie mit einem guten Theile ihrer getreuen Leute sich auf den Berg Sphingius begeben, und von da auf den Kadmus und seine Leute gestreifet. Weil sie nun alles insonderheit mit List gethan, so habe man solche für ein Räthsel von ihr angegeben. Als aber Kadmus endlich dem eine große Belohnung versprochen, der sie erlegen würde, so bewerkstelligte solches Oedipus, der sie des Nachts überfiel und erlegete. Palæphat. de Incred. c. 7. Nach einer andern Sage war sie eine natürliche Tochter des Lajus, welcher ihr, weil er sie liebete, den Orakelspruch entdecket hatte, der dem Kadmus war ertheilet worden, und den vorher sonst niemand, als die Könige, gewußt. Diese Weissagung gieng indessen nur auf die Söhne der Epikaste und deren Kinder: Lajus aber hatte viele Söhne von Kebsweibern. Wenn nun jemand von diesen zu der Sphinx kam, der ein Recht auf das Reich behaupten wollte, so sagete sie listiger Weise, wenn er des Lajus Sohn wäre, so wüßte er das Orakel. Konnte er nun das nicht anzeigen, so kostete es ihm das Leben, weil er sich unbefugter Weise für einen Prinzen ausgegeben und des Reiches anmaßen wollen. Endlich kam Oedipus, welchem das Orakel im Traume eröffnet worden. Pausan. Bœot. c. 28. p. 580. Die meisten halten sie für eine leichtsinnige Frauensperson, die einen großen Anhang von Räubern und dergleichen Gesindel um sich gehabt, womit sie den Reisenden und andern aufgepasset, und, da sie dieselben ertappet, elendiglich hingerichtet. Schol. Hesiod. ad Theog. v. 326. Ttetz. ad Lycophr. v. 7. Pausan. l. c. Banier Entret. XVI. ou P. II. p. 148. Dess. Erl der Götterl. V B. 55 S. Insonderheit aber wollen einige, daß der Namen Sphicha Gelegenheit zu der Fabel von ihr gegeben habe, indem man solchen mit αἰνιγματώδης übersetzet, da man ihn mit Βατώδης geben sollen, weil sie mit ihren Leuten sich hinter den Dornen und Hecken aufzuhalten gewohnt gewesen, und von daraus so wohl ihre Aufsucher, als andere, überfallen habe. Cleric. ad Hesiod. Theog. v. 226.

6 §. Anderweitige Deutung. Einige deuten die Sphinx auf die Wissenschaften. Verulam. de Sap. Vet. c. 28. Andere wollen, daß sie die Monate Julius und August bey den Aegyptern vorgestellet, in welchen die Sonne in der Jungfer u. dem Löwen laufe, bey ihnen aber so dann der Nilus übergetreten. Bellonius ap. Casal. de Rit. Vet. Aegypt. c. 16. Man fand dergleichen viele in Aegypten; besonders war nicht weit von den Pyramiden eine, deren Kopf über hundert Fuß in die Runde hielt. Ihre Höhe vom Bauche an war zwey und sechzig und die Länge des Leibes hundert und drey und vierzig Fuß. Man hielt sie für das Grab des Amasis. Plin. H. N. l. XXXVI. c. 12. Noch jetzt sieht man den Kopf davon, das Uebrige aber ist mit Sande bedecket. Thevenot Voyages. P. I. c. 5. Wenn man dieses ihr Bild auch vor die Tempel gesetzet, so solle es bedeuten, daß Gott so wohl zu lieben, als zu fürchten sey. Casal. l. c. Gleichwohl hält man sie auch für nichts weiter, als für das Bild einer bösen Weibesperson, die von vorn besser erscheint, als man sie hinten nach findet. Damms Götterl. 282 §. Des Aeschylus Tragödie von ihr ist verloren gegangen. Fabric. Biblioth. Gr. l. II. c. 16. §. 7.


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